Tourismus im Chiemgau

Klasse oder Masse? – Licht und Schatten des Chiemgau-Tourismus

Ja, klar! Dass wir eine beliebte Urlaubsregion sind, wissen wir. Schließlich preist der Chiemgau-Tourismus seine Erfolge regelmäßig mit steigenden Zahlen – und wir in Prien erleben es Sommer für Sommer: Autos, Stau und viele, viele Touristen, vor allem solche, die sich zwischen Bahnhof und Hafen bewegen.
Angesichts dessen hat sich wohl manche*r schon mal gefragt:

  • Können wir dem Tourismuslob Glauben schenken, bzw. verdient der Tourismus den Stellenwert, der ihm beigemessen wird?
  • Wie ist die tatsächliche Wertschöpfung?

Wo liegen die Nachteile, und wie könnte eine mögliche Verbesserung aussehen?

Nur 7,5 % der Einheimischen können vom Tourismus leben

Unter der Überschrift „Rekordumsatz – aber ein Haken“ berichtet der OVB diese Woche über eine Tourismus-Studie des DWIF für die Region Chiemsee-Chiemgau. Darin zitiert er Zahlen und Fakten zur Tourismusentwicklung. Demnach bringt der Tourismus uns einen Umsatz von imposanten 685 Millionen Euro brutto.
Wow! mag man beim ersten Blick denken. Beim genaueren Lesen erkennt man aber, dass nur ca. 7,5 % der Einheimischen davon leben können. Zwar liegen wir in der Region damit relativ gesehen doppelt so hoch wie der oberbayerische Durchschnitt – das ist aber kein Grund zum Jubeln. Denn im Verhältnis zur Bevölkerung kommen auch überdurchschnittlich viele Gäste zu uns, und wir haben die strukturellen Aufgaben, die damit einhergehen, zu bewältigen.
Aber warum ist trotz des hohen Umsatzes der Wert absolut gesehen so niedrig? Ein Grund mag sicher in branchentypischen Umständen liegen: geringe Margen, Saisonarbeit und eine gewisse Volatilität in Angebot und Nachfrage. Der andere Grund ist, so sagt die Studie, dass unsere Gäste hier deutlich weniger Geld lassen als anderswo:
– Während ein Gast, der mehrere Tage bleibt, in Oberbayern durchschnittlich ca. 190 Euro pro Tag ausgibt, sind es bei uns nur ca. 130 Euro, also etwa ein Drittel weniger.
– Auch bei Tagesgästen liegt der Wert niedriger: Mit 26 Euro pro Tag geben sie etwa ein Viertel weniger aus als im restlichen Oberbayern.

Sind wir in der Region dann doch nicht so gut aufgestellt wie wir denken? Heißt das mit anderen Worten: Haben wir hier Masse statt Klasse? Fakt ist: wir halten mit dem durchschnittlichen Oberbayern nicht mit, und einiges an Einnahmepotenzial geht der Region dadurch verloren.
Tourismusförderung: wichtig? Aber wie steht’s um Industrie und Handwerk?
Kein Zweifel! Ohne Tourismus geht’s bei uns nicht: Unser Tourismus ist prägend für den Ort und wirkt sicher auch identitätsstiftend. Aber wirtschaftlich trägt er nur zu einem geringen Teil bei, hochwertige und krisensicher Arbeitsplätze werden dadurch nicht geschaffen. Zudem: Der Chiemgau ist eine typische Autoreiseregion – ökologisch problematisch.
Da ist unsere heimische Industrie und das produzierende Gewerbe unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten viel wichtiger: In der Bruttowertschöpfung liegen wir im Landkreis Rosenheim aufgrund der starken Industrie über dem bayernweiten Durchschnitt von 25–30 %. Auch das Handwerk ist bei uns stark vertreten. Zusammengenommen dürften die Steuerleistungen damit deutlich höher sein als beim Tourismus.

Zukunftssicherung heißt: Qualität und Nachhaltigkeit fördern

Handwerk und Industrie sind da verlässlicher! Zukunftsfähig orientiert können sie mit Energiewende, Wärmewende und Kreislaufwirtschaft nachhaltig positive Impulse in der Region setzen. Zukunftssicherung bedeutet also, nicht nur dem Tourismus den roten Teppich auszurollen, sondern vor allem nachhaltige Betriebe und klimafreundliche Produktion zu fördern. Denn, und auch das gibt das DWIF zu, im Vergleich zu unseren Einkommen sind die Umsätze im Tourismus nicht so stark gestiegen.
Unser Fazit ist: Den Tourismus als Wirtschaftsfaktor nicht überbewerten. Und den Gast, der gezielt Qualität sucht und dafür auch mehr ausgeben will, gezielt anlocken. Wie wärs mit einem Anreizprogramm das die Nachfrage belebt?
Unser Grüner Ansatz in Prien: Mit Qualitätstourismus – Punkte sammeln!
Daher unser Vorschlag: Ein Punkte-System für den Qualitätstourismus im Chiemgau. Punkte gibt’s für:

  • Buchung nachhaltiger Unterkünfte (z. B. Niedrigenergieverbrauch, Wärmepumpe, Öko- oder eigener PV-Strom)
  • Anreise mit der Bahn
  • Nutzung von Carsharing- oder ähnlichen Mobilitätsangeboten
  • Kauf regionaler Produkte

Und am Ende gibt’s „an Diridari“! Den können die Gäste beim nächsten Besuch wieder einlösen – ein echter Mehrwert für alle!